Angriff gegen die SERV – es lebe Rojava, es lebe der Widerstand der PKK!

Zum 15.August haben wir die gläserne Eingangstüre der Schweizerischen Exportrisiko Versicherung gesprengt. Hoch lebe die internationale Solidarität – nieder mit dem türkischen Faschismus und seinen Kreditgebern.

Viele Kräfte treiben die Revolution in Rojava voran und verteidigen sie. Eine davon feiert heute: 38 Jahre seit der ersten bewaffneten Aktion der PKK, das sind 38 Jahre Kampf für Freiheit, Leben und Emanzipation.

Ebenso gibt es viele Kräfte, die die Revolution in Rojava bekämpfen. Eine davon ist die Schweizerische Export Versicherung (SERV), welche wir heute Nacht in Zürich angegriffen haben. Die SERV ist eine zentrale Scharnierstelle in der Unterstützung des türkischen Faschismus durch das schweizerische Kapital. Sie ist damit ein massgebliches Ziel in unserem internationalistischen Kampf zur Verteidigung des revolutionären Projekts in Rojava.

Die Genferstrasse im Zürcher Bankenviertel könnte ein schöner Ort sein. Ein kleine, saubere Strasse mit alten, stattlichen Häusern, der See mit seinen Böötchen ist in Gehdistanz. Auch Kurdistan könnte ein schöner Ort zum Leben sein, die Weiten Rojavas, die rauhen Höhen des Zagros-Gebirges, die verschlafenen Dörfer und die wuseligen Städte. Aber in Kurdistan herrscht Krieg. Und weil dieser Krieg einiges mit dem Zürcher Bankenviertel zu tun hat, haben wir heute ein wenig Gewalt an die friedvolle Genferstrasse gebracht und den verglasten Eingang der Schweizerischen Exportrisiko Versicherung (SERV) gesprengt.

Doch was macht die SERV? Und was hat sie mit Kurdistan zu tun? Der Kapitalismus und seine Apologet:innen gefallen sich sehr in ihrem Geschwafel vom Wettbewerb zwischen freien Konkurrent:innen, die sich auf dem freien Markt begegnen – survival of the fittest! Was natürlich Schwachsinn ist. Unter anderem verschweigt diese Darstellung, dass Kapitalist:innen trotz Wettbewerb durchaus gemeinsame Interessen haben. Sie koordinieren und organisieren sich entsprechend, um diese durchzusetzen – gegenüber uns Arbeitenden wie gegenüber Kapitalen aus anderen Regionen. Eine massgebliche Institution dazu ist der bürgerliche Staat. Und als ein Instrument unter vielen ist dieser Staat mit einer Versicherung ausgestattet, die das Risiko beim Kapitalexport trägt – eine staatliche Exportrisiko Versicherung. Diese soll dort eingreifen, wo die individuellen Interessen der Banken als Kreditgeber dem kollektiven Interesse der Bourgoisie als Kreditnehmer bei riskanten Investitionen widersprechen.

Konkretisieren wir das an einem Beispiel. Nehmen wir an, ein grosser Schweizer Konzern – wie etwa Rieter – will sich am Bau einer neuen Textilfabrik in der Türkei beteiligen. Die Löhne sind tief, die erhofften Profite hoch. Aber die Risiken einer entsprechenden Grossinvestition sind riesig. Wer garantiert Rieter, dass der korrupte Erdogan den Auftrag nicht in letzter Minute an seinen Schwiegersohn vergibt? Oder aber, dass die unterdrückte Bevölkerung Erdogan nicht endlich vertreibt und die Fabrik unter Arbeiter:innen-Kontrolle bringt? Die Risiken sind gross, so gross, dass UBS und Konsorten Rieter nur dann den für die Auslandsinvestition notwendigen Kredit gewähren würden, dass dieser aufgrund der daran geknüpften Bedingungen wiederum für Rieter kaum mehr lukrativ ist. Da aber der Bund – konkretisiert: der Bundesrat – als Vertreter kapitalistischer Gesamtinteressen wiederum durchaus ein Interesse daran hat, die schweizerische Präsenz in der Türkei zu stärken – es locken Extraprofite, es lockt die dadurch ermöglichte Stärkung des Standorts Schweiz gegenüber anderen Standorten – , springt der Staat mit seiner SERV ein: Kurzerhand garantiert er gegenüber Rieter und UBS das Ausfall-Risiko und ermöglicht damit den Bau einer neuen Textil-Fabrik in der Türkei.

Das Beispiel ist durchaus repräsentativ, in vielerlei Hinsichten. Denn so wie Rieter tatsächlich eine Hauptabnehmerin von Versicherungspolicen der SERV in der Türkei ist, wo die Textilindustrie mit Rieter-Maschinen beliefert wird, so ist die Türkei tatsächlich ein Schwerpunktland der SERV. Seit Jahren versicher die SERV in keinem anderen Land der Welt soviel Schweizer Export-Kapital. Alleine im Jahr 2021 wurden 650 Mio Franken in der Türkei versichert (von einem totalen Volumen in diesem Jahr von 4.5 Mia CHF weltweit). Die SERV ist eine herausragende Garantin von Schweizer Kapital in der Türkei. Und in der Folge eine herausragende Geldgeberin des türkischen Faschismus.

Es sei hier auch kurz daran erinnert, dass es ähnliche Export-Versicherungen waren, die vor 15 Jahren einem westlichen Konsortium von ABB, Alstom und anderen den Bau des türkischen Ilisu Staudammes ermöglichen wollten. Die mit der Aufstauung des Tigris verbundenen Angriffe auf die Natur und den Lebensraum der lokalen Bevölkerung, auf Jahrtausende alte Kulturstätten und auf die Bewegungsfreiheit der Guerilla hatte zu heftigem Widerstand gegen dieses Mega-Projekt geführt, so dass die Export-Versicherungen ihre Garantien zurückziehen mussten und das Projekt dadurch vorerst aufgeschoben wurde (das AKP-Regime fand andere Financiers).

Nochmal: Das alles ist nicht kein Zufallsprodukt einer bedauernswerten Unanständigkeit des ‹freien Marktes›, sondern politischer Positionsbezug der Schweizer Bourgeoisie: Die SERV ist direkt dem Bundesrat unterstellt. Sie ist in ihrem Auftrag offiziell der Unterstützung der Schweizerischen Aussenpolitik verpflichtet. Wenn diese Institution die Türkei zu ihrem Schwerpunkt macht, dann zeigt das, dass all die diplomatischen Statements zur Einhaltung der Rechte der Gefangenen, zur Wiedereinführung der Istanbuler Konvention, zum Schutz von oppositionellen Journalist:innen oder zur Respektierung internationaler Grenzabkommen nichs als wohlfeile Lippenbekenntnisse sind, Feigenblätter vor kapitalistischen Schamlosigkeiten, wertlose Makulatur. Was letztlich zählt ist die tiefe strategische Verbundenheit, deren Ausdruck sich beispielhaft in der SERV an der Genferstrasse findet.

Unser Angriff an der Genferstrasse ist ebenso Ausdruck einer tiefen strategischen Verbundenheit – einer Verbundenheit mit jenen Kräften, die sich in der Türkei, im Irak, in Syrien und weltweit dem mörderischen Imperialismus mitsamt seinen faschistischen Vollstreckern entgegenstellen, eine Verbundenheit mit den Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Erde. Dabei wird gerade im Mittleren Osten deutlich, dass es möglich ist, sich der Reaktion entgegenzustellen – gegen die IS-Banden, gegen den türkischen Faschismus, gegen das tief verwurzelte Patriarchat, gegen die geopolitischen Ambitionen verschiedener regionaler und imperialistischer Akteure. Gegen all das steht Rojava – die Demokratische Konföderation Nord- und Ost-Syriens, die in diesem Jahr ihren zehnten Jahrestag begeht – das wie kein anderer Ort im Mittleren Osten für die Möglichkeit und die Wirkmächtigkeit einer tatsächlichen Alternative.

Obwohl die Region konstanten existenziellen Bedrohungen ausgesetzt ist, schafft es die von der PKK angeführte Bewegung seit 10 Jahren, die revolutionäre Alternative immer weiter zu konkretisieren. Den revolutionären Prozess auch im offenen Krieg weiter voranzutreiben basiert auch darauf, in erster Linie auf die eigene Stärke zu vertrauen. Darauf, dass es am Ende die Kraft des Volkes selbst sein muss und sein wird, die die türkische Armee schlagen wird. In diesen 38 Jahren des bewaffneten Kampfes hat sich die PKK eine Methode erkämpft, die dieses Vertrauen in die eigene Stärke in einen Motor zu übersetzen weiss. Eine Methode, die die militärische Verteidigung und den gesellschaftlichen Prozess in eine Verhältnis setzt, in eine Einheit, in der das eine und das andere eng verzahnt sind.

Diese Methode wurde nicht am Schreibtisch entwickelt. Sie wurde in blutigen Kämpfen entwickelt und mit unermesslichen Opfern bezahlt. Wir widmen diese Aktion den tausenden Freund:innen und Genoss:innen, die gefallen sind. Sehid namirin – die Gefallenen sterben nicht. Sie sind Teil des Fundaments, auf dem das revolutionäre Projekt Rojava steht und trotz allen Angriffen weiter stehen wird. Es ist im gemeinsamen Interesse aller antikapitalistischen Kräfte, dieses Projekt tatkräftig zu verteidigen und den Faden internationaler Solidarität fortzuführen, so dass dieses Exempel alternativer Möglichkeiten weiter wirken kann – als Rückzugsort wie Ausgangspunkt revolutionärer Prozesse weltweit.

Hoch die internationale Solidarität!
Fight for Rojava!

This entry was posted in Actions. Bookmark the permalink.